Ente der Woche: WELT
Wie Welt-Journalisten einen „Skandal“ aufdecken, ohne zu wissen, dass sie selbst der „Skandal“ sind…
Die AfD ist angetreten, um die Wahrheit auszusprechen. Dabei ist es eigentlich nicht üblich im politischen Geschäft, Minister von anderen Parteien vor einer Lüge zu verteidigen. Ich mache es trotzdem:
Vorab aber zunächst eine Klarstellung: Wenn Politiker mit Steuergeldern zocken, gehören diese für mich hinter Gittern! Deshalb habe ich auch zur damaligen Landtagswahl in NRW einen Straftatbestand der Steuergeldverschwendung gefordert und möchte Zinszockereien für Politiker verbieten (4.08 und 4.09 im NRW Wahlrogramm). Solche Zinszockereien finden bei Geschäften ohne Absicherung statt (Totalverlustrisiko) oder bei sogenannten Stillhaltergeschäften (Vertragspartner mit einseitigen Vorteilen).
Nun zum Artikel, der am letzten Woche erschien. Da rief die Zeitung „Welt“ (aus dem Springer Verlag) „Haltet den Dieb“ und behauptete, dass der hessische Finanzminister mehrere hundert Millionen Euro „verzockt“ hat.
Erst nach dem Lesen des kostenpflichtigen Welt+ Artikels wird man ein wenig schlauer und stellt fest, dass die Autoren von der Thematik lediglich ein gefährliches Halbwissen haben. Die Schlußfolgerungen der Autoren sind grundweg falsch. Da Leser ohne Spezialausbildung dies nicht durchschauen können, kann dies auch – z.B. durch die Opposition oder anderen Medienvertretern – zu falschen Vorwürfen gegenüber dem Finanzminister in Hessen führen.
Zum Verständnis der Geschäfte machen wir ein analoges Beispiel aus dem Leben:
Sie kaufen sich im April 2011 ein Haus und finanzieren das Haus zu variablen Zinsen. Der variable Zinssatz beträgt zu dem Zeitpunkt 3,2% und erscheint Ihnen viel günstiger als der 10-jährige Zins von 4,3 % bzw. der 20-jährige von 4,8%. Der Bankmitarbeiter sagt Ihnen, dass die Zinsen aber auch wieder steigen können und dass Sie das volle Risiko tragen. Er teilt Ihnen mit, dass die Zinsen für Immobilienkredite zum Beispiel noch im Jahr 2000 bei rund 6% und 1994 noch über 8% lagen. Egal, Sie sind jung und möchten das Risiko.
Zwei Jahre später im April 2013 sind die Zinsen deutlich gefallen. Der 10-Jahres-Zins liegt bei etwa 2,4% und der 20 Jahres-Zins bei 3,1%. Sie haben inzwischen unerwartet Zwillinge bekommen und möchten nun doch mehr Sicherheit. Sie tauschen ihren Kredit mit variablen Zinssatz in einen 20-Jahres-Kredit zu 3,1% Zinsen, da sie glauben, dass der Zinssatz nicht mehr fallen wird.
Fünf Jahre später im April 2018 schauen Sie sich ihr Kreditgeschäft genauer an. Sie zahlen jetzt jedes Jahr 3,1% Zinsen und der variable Zins beträgt jetzt nur 1,3%. Sie zahlen somit in diesem Jahr 1,8%-Punkte mehr als bei einem variablen Kreditzins.
Doch waren Sie jetzt ein Trottel oder haben Sie die Zukunft ihrer Kinder verzockt? Nein, sie haben sich einen Zinssatz von 3,1% gesichert und das noch für weitere 15 Jahre. Es mag sein, dass es „billiger“ gewesen wäre, den Kredit variabel zu finanzieren, aber es wäre auch viel riskanter gewesen! Vielleicht hätten Sie bei einem Zinssatz von 6% oder gar 8% ihren Hauskredit nicht mehr bedienen können und ihre Familie mitsamt den beiden Zwillingen hätte dank Zwangsvollstreckung aus dem Haus ausziehen müssen.
Sie waren verantwortungsbewusst und haben den Kreditzins gesichert. Hätten sie aber „spekulieren“ wollen, dann hätten Sie den variablen Zinssatz beibehalten. Sie aber haben an die Zukunft ihrer Kinder gedacht.
Genauso hat es der Finanzminister in Hessen gehalten. Er hat die Zinssätze langfristig gesichert (er verwendete laut Artikel normale Forwarddarlehen). Das macht das Geschäft planbarer, weniger riskant. Wenn dem Finanzminister jetzt „Zockerei“ vorgeworfen wird, dann ist das unredlich.
Im Nachhinein ist man immer schlauer und kann einschätzen, ob das Geschäft gut oder schlecht war. Allerdings läuft das Geschäft noch und eine Schlußbilanz ist gar nicht möglich. Langfristig lagen die Zinsen in den letzten Jahrzehnten in Deutschland über 5%. Der Finanzminister hat einen Teil der Kredite langfristig für 40 Jahre zu einem Zins im Bereich von 2,8% bis 3,7% gesichert. Eine „Spekulation“ sieht anders aus.
Es stellt sich also die Frage, ob die Zeitung aus dem Springer-Verlag hier als Wahlkampfhelfer für die Opposition auftreten will oder bewusst einer Einzelperson (hier dem Finanzminister) schaden möchte.
Möglich ist auch, dass es den Welt-Journalisten schlicht an Fachkompetenz mangelte. In jedem Fall hat nicht der Finanzminister sich verspielt, sondern die Journalisten haben ihre Glaubwürdigkeit verspielt.
Letztlich ist die Motivation für die Welt-Reportage nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass in der Presse „Effekthascherei“ den Vorzug vor „Kompetenz“ bekommen hat.
Der Journalismus in Deutschland schafft sich ab.
Hier geht es zum Welt+-Artikel, den ich aber eigentlich nicht empfehlen kann
https://www.welt.de/